Wir können uns Dinge länger merken, wenn wir während des Lernens Pausen einlegen. Dieses Phänomen ist als Spacing-Effekt bekannt.
Doch was passiert beim Spacing-Effekt genau im Gehirn und warum helfen Lernpausen, uns einfacher und besser zu erinnern? Es wird angenommen, dass beim Lernen Nervenzellen (sog. Neuronen) aktiviert werden und sich diese mit anderen verknüpfen. So wird das erlernte Wissen gespeichert und kann bei Aktivierung derselben neuronalen Verbindungen wieder abgerufen werden. Tatsächlich wissen wir bis heute aber nicht genau, wie Lernpausen diesen Vorgang positiv beeinflussen. Dies obwohl der Spacing-Effekt bereits vor über einem Jahrhundert beschrieben wurde.
Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, wie man sein Gedächtnis verbessern kann? Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass kurze Pausen (ohne zu schlafen), nachdem etwas gelernt wurde, die Gedächtnisleistung für einige Minuten verbessert. Nach einer solchen Pause konnten sich Versuchspersonen an mehr des Gelernten erinnern, als wenn sie keine Pause gemacht hätten. Forscher der Universitäten in Edinborough, Oxford und Missouri-Columbia wollten wissen, ob sich dieser Befund auch auf viel längere Zeiträume ausweiten liess.
Den Teilnehmern ihrer Studie wurden zwei Geschichten präsentiert. Die Probanden sollten sich beide Geschichten merken, allerdings unter leicht unterschiedlichen Bedingungen. Nach einer der beiden Geschichten, legten alle Teilnehmer eine 10-minütige Pause ein. Nach der anderen Geschichte mussten alle Teilnehmer eine kniffelige Aufgabe lösen. Das Ergebnis war, dass die Pause zu einer bedeutsamen Verbesserung der Gedächtnisleistung führte. Diese Verbesserung war kurz nach dem Lernen und auch 7 Tage später noch nachweisbar. Die Teilnehmer, der Pausegruppe, konnten sich auch 7 Tage nach dem Lernen noch viel besser an die Geschichte erinnern als die Teilnehmer, die nach dem Lernen die knifflige Aufgabe gelöst hatten.
In einer zweiten Studie wurden die Studienteilnehmer sogar gebeten, sich erst nach einer Woche wieder an die Informationen zu erinnern. So wollten die Forscher ausschliessen, dass ein wiederholter Abruf des Gelernten das Gedächtnis trainiert hat. Aber auch hier zeigte sich der positive Effekt einer Pause nach dem Lernen auf die Gedächtnisleistung. Das Ausmass, in dem die Menschen eine Geschichte nach 7 Tagen erinnern können, wird demnach stark dadurch beeinflusst, was die Teilnehmer unmittelbar nach dem Lernen machen. Die Forscher vermuten, dass das Ausmass an geistiger Anstrengung nach dem Lernen einen massgeblichen Einfluss darauf hat. Bei einer kleinen Pause könnte möglicherweise die Information besser abgespeichert werden.
TIPP: Ruhen Sie sich nach dem Lernen kurz aus ohne zu schlafen, so werden Sie sich Informationen besser und auch langfristiger merken können.
Die Forscher Annet Glas und Pieter Goltstein, Neurobiolog:innen im Team von Mark Hübener und Tobias Bonhoeffer, untersuchten dieses Phänomen bei Mäusen. Dazu mussten sich die Tiere in einem Labyrinth die Position eines versteckten Stücks Schokolade merken. Die Mäuse erhielten hintereinander drei Chancen, das Labyrinth zu erkunden und ihr Fressen zu finden – dabei wurden Pausen unterschiedlicher Länge eingebaut.
„Die Mäuse, die wir mit längeren Pausen zwischen den Lernphasen trainierten, konnten sich die Position der Schokolade nicht so schnell merken“, erklärt Annet Glas. „Was uns aber überraschte war der Umstand, dass das Erinnerungsvermögen der Mäuse am nächsten Tag umso besser war, je länger die Pausen gedaudert hatten.“
„Folgen drei Lernphasen kurz aufeinander, erwarten wir eigentlich, dass die gleichen Nervenzellen aktiviert werden“, erzählt Pieter Goltstein. Nach einer langen Pause könnte man aber annehmen, dass das Gehirn die anschliessende Lernphase als neues Ereignis interpretiert und daher mit anderen Nervenzellen verarbeitet.“ Als die Forschenden die Nervenzellaktivitäten in den unterschiedlichen Lernphasen verglichen, stellten sie aber das genaue Gegenteil fest. Bei kurzen Pausen schwankte das Aktivierungsmuster im Gehirn mehr als im Vergleich zu langen Pausen. Das bedeutet, dass in schnell aufeinanderfolgenden Lernphasen die Mäuse meist unterschiedliche Nervenzellen aktivierten. Nach längeren Pausen wurden dagegen die Nervenzellen der ersten Lernphase auch wieder genutzt.
Anscheinend greift das Gehirn auf die gleichen Nervenzellen zurück und kann womöglich die Verknüpfungen zwischen diesen in jeder Lernphase stärken. Die Verbindungen müssen also nicht erst “neu” aufgebaut werden. „Das ist der Grund warum wir glauben, dass das Erinnerungsvermögen von langen Pausen profitiert“, sagt Pieter Goltstein.
Damit bestätigt die Studie nach über hundert Jahren, den positiven Effekt von Lernpausen. Mit Unterbrechungen (nehmen Sie aber in der Pause nicht ihr Handy zur Hand!) kommen wir also womöglich langsamer ans Ziel, das Wissen aber bleibt uns jedoch deutlich länger erhalten.
TIPP: Machen Sie jetzt also eine ausgiebige Pause und lesen Sie diesen Bericht gleich nochmals durch!
Quellen:
Dewar, M., Alber, J., Butler, C.,Cowan, N., and Della Sala, S. (2012). Brief Wakeful Resting Boosts New Memories Over the Long Term. Psychological Science, first published on July 24, 2012 as doi:10.1177/0956797612441220.
Annet Glas, Mark Hübener, Tobias Bonhoeffer, Pieter M. GoltsteinSpaced training enhances memory and prefrontal ensemble stability in miceCurrent Biology, 28.07.2021; DOI: 10.1016/j.cub.2021.06.085